Es folgt das Gedicht

Invictus

von William Ernest Henley,
zunächst im Original, sodann, vergleichend, in verschiedenen deutschen Übersetzungen, die unterschiedliche, mehr oder weniger gelungene, aber dennoch beachtenswerte Herangehensweisen verdeutlichen (Meine zwei Versionen folgen zum Schluss).

Das Gedicht erlangte besondere Bekanntheit durch den Clint-Eastwood-Film "Invictus", der deutlich macht, dass das Gedicht für Nelson Mandela in seiner Zeit als Gefangener hilfreich war. Aber auch ein militanter Terrorist und Massenmörder wie Timothy McVeigh fand darin so sehr seelischen Halt, dass er es als seine letzte Äußerung vor der Hinrichtung niederschrieb... (Beleg s. hier; 17.12.13)

***

Invictus

Out of the night that covers me,
    Black as the pit from pole to pole,
I thank whatever gods may be
    For my unconquerable soul.

In the fell clutch of circumstance
    I have not winced nor cried aloud.
Under the bludgeonings of chance
    My head is bloody, but unbow'd.

Beyond this place of wrath and tears
    Looms but the Horror of the shade,
And yet the menace of the years
    Finds and shall find me unafraid.

It matters not how strait the gate,
    How charged with punishments the scroll,
I am the master of my fate:
    I am the captain of my soul.


Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/en:Invictus ; 17.12.13

***

Übersetzungen:

***

Invictus (unbezwungen)

Aus finstrer Nacht, die mich umragt,
durch Dunkelheit mein‘ Geist ich quäl.
Ich dank, welch Gott es geben mag,
dass unbezwungn ist meine Seel.

Trotz Pein, die mir das Leben war,
man sah kein Zucken, sah kein Toben.
Des Schicksals Schläg in großer Schar.
Mein Haupt voll Blut, doch stets erhobn.

Jenseits dies Orts voll Zorn und Tränen,
ragt auf der Alp der Schattenwelt.
Stets finden mich der Welt Hyänen.
Die Furcht an meinem Ich zerschellt.

Egal wie schmal das Tor wie groß,
wieviel Bestrafung Ich auch zähl.
Ich bin der Meister meines Los.
Ich bin der Captain meiner Seel.


Übersetzung der deutschen Synchronisierung des Clint-Eastwood-Films (Rechte bei Warner Bros. Entertainment GmbH, lt. Email vom 23.12.13; der Name des Autors konnte von der Firma nicht eruiert werden); weitere Quelle s. http://friedensbotschafter.de/invictus%20Bezug%20Kino.html ; 16.12.13

***

Invictus (Unbezwungen)

Aus dieser Nacht, die mich umhüllt,
von Pol zu Pol schwarz wie das Grab,
dank ich welch immer Gottes Bild
die unbezwung'ne Seel mir gab.

Wenn grausam war des Lebens Fahrt,
habt ihr nie zucken, schrein mich sehn!
Des Schicksals Knüppel schlug mich hart -
mein blut'ger Kopf blieb aufrecht stehn!

Ob zornerfüllt, ob tränenvoll,
ob Jenseitsschrecken schon begann:
das Grauen meines Alters soll
mich furchtlos finden, jetzt und dann.

Was kümmert's, dass der Himmel fern
und dass von Straf' mein Buch erzähl',
ICH bin der Herr von meinem Stern,
ICH bin der Meister meiner Seel'!


Übersetzung Walter A. Aue
http://myweb.dal.ca/waue/Trans/Henley-Invictus.html (16.12.2013; dort mehrere youtube-Rezitationen und -Versionen des Gedichts)

***

Unbezwungen

Obwohl eingehüllt vom Schwarz der Nacht,
Gleich der Finsternis in einem Schacht,
Dank ich all jenen Göttern, wenn sie's gibt,
Daß mir blieb meine Seele unbesiegt.

Weder schreckt mich des Lebens missliches Geschick
Noch schrie ich je laut auf deswegen.
Zwar sah ich unter Knüppelschlägen
Mein blutend Haupt - doch brach mir keiner das Genick.

Jenseits dieser Welt voll Tränen und von Wut
Verließ mich nie, - angesichts der bösen Geister
Und trotz des drohend Alters - niemals, der Mut:
Meiner Angst bin ich, und bleib es auch, der Meister.

Egal, wie schmal der Grat wohl meines Strebens
War, genügend Strafen konnt´ ich nicht entgeh´n.
Dennoch: Ich bin der Lenker meines Lebens,
Ja, meiner Seele bin ich der Kapitän.


Christoph Maria Severin
Gemäß Email an den Verfasser dieser Webpublikation vom 21.1.2014 (neue Fassung einer früher auf Wikipedia veröffentlichen und dort gestrichenen Version)

***

Unbesiegt

Noch mitten aus der Nacht, die mich umgibt,
wie eine Kohlengrube in lichtlos schwarzer Tiefe,
dank ich den Göttern dort im Ungewissen,
für meine Seele, die nichts und niemand je besiegt.

Egal wie mich das Schicksalsmonster mit Eisenklauen zwang,
ich zuckte nie und habe niemals laut gejammert.
Wann immer mich der Zufall prügelt, knüppelt, schlägt,
selbst wenn der Schädel blutet, ich bleibe aufrecht stehn.

Ich weiß, dass jenseits dieser Welt aus Zorn und Tränen
nichts andres lauert, als Düsternis und Grauen,
doch mag die Zeit mir drohen, wie sie will,
sie kann mich nicht und wird mich nicht erschrecken.

Auch wenn mein Weg mir eng und unpassierbar scheint,
und wenn mein Strafregister endlos geht,
ich bin der Herr und Meister meiner Ziele,
ich bin und bleibe meiner Seele Kapitän.


Übersetzung: Hilmar H. Werner

mein kommentar: ich habe einen ansatz geliefert, bei dem ich bewusst die reimform nicht imitiere, die m.e. dazu führt, dass man im deutschen mit sprache und bildern ziemlich gewaltsam (holprig) umgehen muss und/oder sich vom original entfernen; oder man gerät stilistisch (unfreiwillig?) in falsche tonlagen... ich benutze zwar rhythmisierte sprache, aber statt endreimen eher assonanzen und alliterationen... auf diese weise kann ich relativ nah am original bleiben, und doch den 'ton' des textes - der ja, bei allem pathos, erstaunlich schlicht und 'prosaisch' daher kommt (also eben ganz ohne poeten-schnörkel und -krämpfe, wenn auch nicht ganz ohne rhythmische probleme...) - ohne (allzu schlimme) verbiegungen rel. gut wiedergeben... oder? (henley war übrigens einer der ersten, der 'freie' englische gedichte schrieb.)

ein wichtiger punkt: "fate" sollte man m.e. nicht mit "leben" übersetzen... denn auch henley wird nicht meinen, dass er alle ereignisse seines lebens kontrolliert! das kann niemand - außer jenen zweifelhaften göttern... "fate" hat hier m.e. eher den sinn von 'bestimmung' oder 'ziel' - ziele kann man kontrollieren, auch wenn das leben - hoffentlich nur zeitweise - aus dem ruder läuft... richtig?

***

Dem vorher Gesagten zum Trotz, hab ich's mit einer Reimversion versucht, die - meine ich - einigermaßen ohne Sprachverrenkungen auskommt und in etwa die Bilderwelt Henley's, ohne allzu große Entgleisungen, beibehält (mit besonderen Anklägen an das, woran wohl auch Mandela denken musste...):

***

Unbesiegt

Noch aus den tiefsten, schwarzen Nächten,
am Boden einer Höllengrube, zur Freiheit ohne Stufen,
dank ich den ungewissen Göttermächten,
die mir die Seele unbesiegbar schufen.

Wenn mich der Schicksalsdrachen in seinen Eisenklauen trug,
Hab ich doch niemals laut gejammert, nie gezuckt.
Und wenn ein Willkürmonster mich prügelte und schlug,
dass mir das Blut vom Schädel lief, man sah mich nie geduckt.

Selbst wenn die Menschen hier im Zorn verrohen,
und finstere Gestalten im Drüben ihre Zähne blecken,
auch wo die Jahre mit tränenreichem Altern drohen,
dies alles soll, und wird, mich nie erschrecken.

Auch wenn der Strafen noch so viele,
und ich auf meinem Kurs nur sehe: Riff auf Riff,
Ich bin der Meister meiner Ziele,
Ich bin der Steuermann im Seelenschiff.

***

Sollte jemand Probleme mit Urheberrechten sehen, insbesondere mit den sog.n - nach dem Zitatprivileg legitimen - "Großzitaten", teile er mir dies bitte umgehend mit und ich werde sofort angemessen reagieren (mail@BerlinerTourGuide.de).

21.1.14